Mehr Firmenpleiten als seit zehn Jahren
Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ist im ersten Halbjahr 2025 auf den höchsten Stand seit zehn Jahren gestiegen. Laut der Wirtschaftsauskunftei Creditreform wurden 11.900 Fälle registriert – ein Anstieg von 9,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum mit 10.880 Insolvenzen.
Bereits 2024 hatte es einen deutlichen Zuwachs um 28,5 Prozent gegeben. Die wirtschaftliche Lage bleibt laut Creditreform trotz einzelner positiver Signale angespannt. Unternehmen sehen sich weiterhin mit schwacher Nachfrage, gestiegenen Kosten und unsicherer Planungslage konfrontiert. Angebotserstellung und Rechnungsstellung werden unter solchen Bedingungen zunehmend zur Herausforderung. Finanzielle Reserven schrumpfen, Kredite werden seltener verlängert.
Kaum Erholung in Sicht
Für den weiteren Jahresverlauf erwartet Creditreform keine grundlegende Konjunkturerholung. Das Insolvenzrisiko bleibe hoch. „Die Zahl der Pleiten wird bis Jahresende weiter steigen“, erklärte Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform.
Auch bei den Verbraucherinsolvenzen setzt sich der Aufwärtstrend fort. Im ersten Halbjahr 2025 wurden rund 37.700 Fälle gemeldet – 6,6 Prozent mehr als im Vorjahr (35.380 Fälle). Als Gründe nennt Creditreform unter anderem gestiegene Lebenshaltungskosten sowie Arbeitsplatzverluste, insbesondere im industriellen Sektor. Privatpersonen geraten damit ebenfalls zunehmend in Zahlungsschwierigkeiten.
Milliardenschäden für Gläubiger
Die wirtschaftlichen Folgen der Insolvenzen sind erheblich. Creditreform schätzt die Forderungsausfälle aus Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr 2025 auf rund 33,4 Milliarden Euro. Damit ergibt sich ein durchschnittlicher Schaden von etwa 2,8 Millionen Euro pro Insolvenzfall – deutlich mehr als in den Jahren 2022 und 2023.
Von den Insolvenzen betroffen waren rund 141.000 Beschäftigte – ein Anstieg von 6,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (133.000). Besonders ins Gewicht fallen dabei größere Insolvenzen wie beim Pflegeheimbetreiber Argentum Pflege und der Haushaltswarenkette KODi Diskontläden GmbH, die jeweils über 2.000 Mitarbeiter beschäftigten.
Mittelständische Unternehmen besonders betroffen
Laut Creditreform verzeichnet das Segment der mittelständischen Unternehmen mit 51 bis 250 Beschäftigten einen überdurchschnittlichen Anstieg der Insolvenzen um 16,7 Prozent. Auch größere Unternehmen mit einem Jahresumsatz ab fünf Millionen Euro meldeten mehr Insolvenzen. Die Zahlen liegen in dieser Größenordnung mittlerweile mehr als doppelt so hoch wie vor Beginn der Corona-Pandemie.
Hantzsch verweist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeiten des deutschen Insolvenzrechts, das auf die Sanierung krisenbetroffener Unternehmen ausgelegt sei. Vor allem größere Unternehmen nutzten die rechtlichen Optionen verstärkt, um sich im Rahmen eines Insolvenzverfahrens neu aufzustellen. Kleinunternehmer stehen oft ohne vergleichbare Sanierungschancen da.
Industrie und Handel mit hohem Anstieg
Besonders stark betroffen ist das Verarbeitende Gewerbe, wo die Zahl der Insolvenzen um 17,5 Prozent zunahm. Im Einzelhandel wurde ein Anstieg um 13,8 Prozent verzeichnet. Als Ursachen nennt Creditreform eine zurückhaltende Kaufbereitschaft sowie den anhaltenden Wettbewerb im Onlinehandel. Im Baugewerbe lag der Anstieg bei 1,7 Prozent.
Den größten Anteil am Insolvenzgeschehen hatte weiterhin der Dienstleistungssektor. Mit fast 7.000 Fällen entfielen rund 58,5 Prozent aller Unternehmensinsolvenzen auf diesen Bereich.
Gründungsdynamik lässt nach
Der Anteil junger Unternehmen (bis vier Jahre alt) an den Gesamtinsolvenzen ist weiter gesunken. Mit 21,3 Prozent liegt dieser Wert auf dem niedrigsten Stand seit 2021. Laut Creditreform hängt dies mit der rückläufigen Zahl an Unternehmensgründungen zusammen. Der größte Anteil entfällt auf Betriebe mit über zehn Jahren Marktpräsenz, deren Anteil bei knapp 42 Prozent liegt.
Automobilzulieferer unter Druck
Ein besonderes Augenmerk der Creditreform-Studie liegt auf der Automobilzulieferindustrie. Seit 2020 wurden in diesem Segment 155 Insolvenzen erfasst, davon allein 19 im laufenden Jahr. Die Branche leidet unter schwacher Nachfrage, steigenden Energie- und Materialkosten sowie Finanzierungsschwierigkeiten. Schätzungsweise 43.000 Beschäftigte waren in den vergangenen fünfeinhalb Jahren von Insolvenzen in diesem Bereich betroffen.
Creditreform sieht die Zukunftsfähigkeit der Branche im Zusammenhang mit der Anpassung an Veränderungen wie Elektromobilität und Digitalisierung. Die Branche befinde sich in einem Prozess der Konsolidierung und strukturellen Umstellung.